Ich war in New York auf dem Segelboot meines Bruders, wollte den Spätsommertag in Manhattan verbringen, aber dazu ist es nicht mehr gekommen. Es war früher Vormittag in Amerika, als die World Trade Center kollabierten.
Sonnenaufgang, Katastrophe, Sonnenuntergang. Die Fotoausstellung “Eine Woche im September 2001″ werde ich zusammen mit der Patton Stiftung: Sustainable Trust in Saarbrücken ausrichten. Alle Fotos habe ich in der Zeit von Samstag, 8. September bis Sonntag, 16. September 2001 in New York gemacht - und noch nie öffentlich gezeigt. Es sollte eine Urlaubswoche auf dem Segelboot meines Bruders sein - und plötzlich fand ich mich wieder in einer Zeitenwende.
Vernissage: 13.08.2011, 18:00 Uhr, Ausstellungsdauer: bis 03.10.2011
Der Tag war lang, die Arbeit erledigt, die Spiegellektüre über die letzte aller Blasen, über Staatsverschuldung und geregelten Staatsbankrott einigermaßen stirnrunzelnd, aber ansonsten schien die Welt für diesen Moment und von diesem Sofa aus nicht unmittelbar aus den Fugen zu geraten.
Allerdings trügerisch war er, der Schein, am 6. Mai 2010 um 20:10. Nur mal so und zwischendurch warf ich einen Blick auf die Aktienwerte, die doch heute alle in Echtzeit und kostenlos zur Verfügung stehen. Und sehe bei AAPL einen Verlust von knapp 5%. Sehe 6% Minus bevor ich mich über die 5% wundern konnte, sehe ein Minus von 11% und spätestens bei 20% entsteht klar der Eindruck von Exitus und Aktieninfarkt. Nur rote Zahlen, der Dow Jones verliert 8, 9, kurzfristig 10% und in Griechenland protestieren Griechen gegen Sparbeschlüsse.
Aber alles nur kurz; rasant der Fall, rasch die Erholung. Am Ende des Handelstages immer noch Verluste, aber in anderen Dimensionen. Und Börsianer mit Rätselgesichtern. Was genau, wieso? Mittlerweile scheint ein Grund gefunden: Procter & Gamble fiel um $22.79, oder 37%, und da P&G eine wichtige Aktie ist und eine wichtige Schwelle überschritten wurde, purzelten Verkaufsordern und Kurse und erzeugten einen Malstrom in dem Milliarden von Marktkapitalisierungs-Buchgeld verschwanden… und dann wieder auftauchten.
Warum? Ein Fehler. Wahrscheinlich ein Softwarefehler oder aber der Tippfehler eines Händlers, der den Unterschied zwischen Millionen und Milliarden nicht mehr Ernst genommen hat. Die Systeme sind komplex, die Stimmung nervös, Staatsbankrott wird in den Medien beschrieben, auf der Straße diskutiert, da kann ein kleiner Fehler der Tropfen sein, das Fass läuft über, die Blase verpufft, Vollbeschäftigung für Pleitegeier und Insolvenzverwalter. Nur Burnout hat Hochkonjunktur.
“Too big to fail” ist eben einfach zu groß. U.S. Rep. Paul E. Kanjorski findet die richtigen Worte an der richtigen Stelle für die richtige Initiative: Was zu groß ist, sollte kleiner sein. Kleine Banken, kleine Probleme; werden die Banken zu groß, werden die Probleme zu groß. Viel Erfolg, Rep. Paul E. Kanjorski!
Der Beitrag fehlt seit Monaten: “Kapitalismus reloaded”, das neue Buch von Michael Best, erschienen Ende September 2009 im FAZ-Verlag rechtzeitig zur Frankfurter Buchmesse. Eine echte Empfehlung: Sehr gut lesbar und kenntnisreich, präzise und umfassend, fokussiert dabei auf Finanzen und Wirtschaft, weder eingebildet noch geblendet von aktuellen Problemen, gestrigen Versprechungen oder sozialromantischen Hoffnungen, frei von globalistischem Überschwang und ohne protektionistisches Fieber.
Michael Best, studierter und diplomierter Wirtschaftswissenschaftler, gelernter Journalist, Leiter des ARD-Börsenstudios erfüllt sich und jedem Leser einen Wunsch: Er analysiert das Finanzbeben der beiden letzten Jahre mit Sachverstand, Überblick, Augenmaß. Er beginnt das Vorwort mit einer klaren und persönlichen Position:
“Ich finde, es hat keinen Sinn, wenn wir uns nach dem Debakel an den Finanzmärkten mit Abscheu und Empörung vom Kapitalismus abwenden. Wir sollten lernen, ihn besser zu verstehen und verantwortlicher mit ihm umzugehen. Wie Kapitalismus und Kapitalmärkte der Zukunft aussehen werden, ob sie uns dienen oder ob sie uns gefährden, das liegt ganz bei uns.” (S. 7)
Und endet mit einem verständlichen Plädoyer:
“Wir müssen eine neue Balance finden zwischen materiellen und sozialen Zielen, das gilt nicht allein für Führungskräfte. Freiheit muss mit Rücksicht auf die Gemeinschaft genossen werden. Freie Märkte sollten nicht nur als Garant bürgerlicher und politischer Freiheiten dienen, sie sollten auch den sozialen Zusammenhalt verbessern. Auf freien Märkten müssen viele ihre Chance finden, freie Märkte müssen Wohlstand schaffen für die ganze Menschheit und für künftige Generationen. Der Kapitalismus ist eine von Menschen für Menschen geschaffene Wirtschaftsordnung. Welches Antlitz er uns zeigt, können wir selbst entscheiden.” (S. 221)
Michael Best, Jahrgang 1956, ist in Saarbrücken geboren und studierte Volkswirtschaftslehre an der Universität des Saarlandes. Sympathisch in “Kapitalismus reloaded” - neben Sprachfluss und Wortwahl - ist, dass Best mehr vorlegt als ein journalistisches Buchprojekt, dass er aber auch nicht den Weltökonomen gibt, dessen Stunde nun geschlagen hat. Best ist kein Wirtschaftsbesserwisser, sondern ein kenntnis- und faktenreicher Kopf und als Autor eine Freude, der die Luft aus verbalen Finanzblasen lässt, Himmelsstürmerei vermeidet und ernsthaft ist. Die Konsumenten müssen sich intensiver mit dem Finanzmarkt beschäftigen; die Aufsicht muss sich durch Intelligenz Respekt verschaffen und Gier ist zwar natürlich, braucht aber eben gerade deshalb kulturelle Handschellen.
Nach der Lektüre ist man schlauer, nachdenklicher, urteilsfähiger, realistischer. Intuitiv wünscht man Michael Bests “Kapitalismus reloaded” möglichst viele Leser, denn Wirtschaft wird weiter den Weltwohlstand befördern und Wissen kommt vor Verständnis.
Knapp 20 Jahre nach dem Mauerfall feiert Deutschland 2009 den Tag der Einheit am 2./3. Oktober in Saarbrücken - Steamtalks feiert mit - auch das DFKI ist an mehreren Orten vertreten. Das Programm ist umfangreich, alle Bundesländer sind dabei.
Ab 12. November in deutschen Kinos, der neue Film von Michael Moore: Kapitalismus: Eine Liebesgeschichte - Capitalism: A Love Story. Ich erwarte nicht wirklich neue Erkenntnisse, aber gute Unterhaltung und interessante Einblicke: Wenn schon die Wirtschaft fast zusammenbricht, kann man wenigstens eine unterhaltsame Doku bekommen - das Geld ist weg, die Bilder bleiben.
dict.leo.org findet 29 unmittelbare englische Treffer für das deutsche “angemessen”. Geht man die Übersetzungen durch, konkretisieren sich sprachlich die Dimensionen von “angemessen”, die wir bearbeiten, verstehen, berücksichtigen müssen. Und wir werden müssen: (more…)
Lesenswert das Interview im Spiegel (Nr. 9.09, S. 114) mit Avraham Burg - früher Sprecher des israelischen Parlaments - über den Nahen Osten und sein aktuelles Buch “The Holocaust is over. We must rise from its ashes.”
Im Web führt er ein sehr interessantes Gespräch (Video/Text) mit Amy Goodman and Juan Gonzalez, Democracy Now. Es ist zu hoffen, dass Avraham Burgs Ansichten in Israel Mehrheiten finden: “Let’s move forward. Let’s create a better tomorrow. And then one day we shall revisit the past. I don’t want to argue about the past so much, because I become hostage of the yesterday’s genies, rather than becoming a liberated person or liberated nation or liberated region. And that’s what I’m looking for.”
Der American Recovery and Reinvestment Act, ARRA, liegt in einem zwischen US-Senat und Repräsentantenhaus abgestimmten Kompromiss vor. Aber was steht drin? Viel. Beeindruckend die Informationspolitik. Aktuelle Versionen und frühere Fassungen sind zugänglich: Read the Stimulus. (Allerdings scheint der tatsächliche letzte Kompromiss noch nicht online zu sein.) Was ist im Senat aus “Buy American” geworden? Die ursprüngliche Formulierung wurde in dem vom Senat verabschiedeten Bill abgeschwächt, ist aber immer noch enthalten. Im Kontext “Buy American” gilt jetzt wohl: “This section shall be applied in a manner consistent with United States obligations under international agreements.” (SEC. 1604).
Verstimmung und beträchtliche internationale Auseinandersetzungen wird es um “SEC. 1110. USE OF AMERICAN IRON AND STEEL” geben - für Obama kaum zu gewinnen. Die Stahlfrage wird zur Nagelprobe.
SEC. 1110. USE OF AMERICAN IRON AND STEEL.
(a) INGENERAL.—None of the funds appropriated
or otherwise made available by this Act may be used for
a project for the construction, alteration, maintenance, or
repair of a public building or public work unless all of the
iron and steel used in the project is produced in the United
States.
Zur generellen Regel werden einige Ausnahmen angeführt. Aber im allgemeinen wird ein Handelszaun errichtet und gesetzlich verankert, wird nicht die Zusammenarbeit gesucht, soll nur US-Amerikanischer Stahl für US-Amerikanische Brücken verbaut werden dürfen. Das sind keine guten Nachrichten für Kanada, für Europa, für die Weltwirtschaft. “Buy American” ist keine gute Idee.
Wäre es nur eine Imagekampagne: Verständlich ist der Appell an die Bürger, beim Kauf doch auch über den Herstellungsort nachzudenken und nur Produkte des eigenen Landes zu kaufen. Aber SEC. 1110. USE OF AMERICAN IRON AND STEEL ist keine Empfehlung zur Einkaufkultur, sondern bindendes gesetzgeberisches Handeln, einklagbar, vertraglich relevant.
Obama müßte einlenken, im Dialog klarstellen, im Konsens mit den G20-Partnern bleiben, nicht kurzfristige Scheinkonjunktur mit Schulden erkaufen und den Welthandel nachhaltig stören. Konfrontation und Protektion sind aktuell wenig hilfreich. Protektionismus ist ein sich selbst verstärkender und im Ergebnis für alle schädlicher Prozess. Handelsbarrieren beginnen einseitig, sind ansteckend, schwächen Wettbewerb, damit Innvovationsintensität und Zusammenarbeit.
Es geht, aber es geht nur gemeinsam. Und SEC. 1110 einfach wieder streichen.
Unwahrscheinlich schon, aber Obama beginnt seine Perspektiven als Prioritäten in seinem gesetzgeberischen Handeln zu konkretisieren. Es hört sich nachdenklich an, wirkt nachdrücklich, “Now is the time to make the tough choices.” Z.B. erlaubt er Kalifornien die Einführung strengerer Standards für PKW-Verbrauch, eröffnet so die Chancen eines Innovationswettbewerbs, den es seit Jahren schon hätte geben können. Einmal von der Seite der Chance betrachtet, könnte nun folgendes geschehen: Investition in Innovation - Arbeitsplätze durch grüne Energiepolitik - Überfällige Reduktion von Treibhausgas - Größere internationale Glaubwürdigkeit - Gegenseitiges Vertrauen - Globale Zusammenarbeit. Die Chance ist da. Jetzt müsste noch ein wenig Glück dazu kommen.