Zahlenmisere im Qualitätsjournalismus
Geschrieben von: Reinhard Karger in Klassiker, in der Tat 40 JahrDie 7-Kilometer-Rendite
Im Aufzählungsmodus für Top-Zeitungen erscheint die Frankfurter Allgemeine im ersten Rang. Und oft auch zu recht, ohne dass man zustimmungspflichtig ist bei grundsätzlichen Analysen, die können zu wirtschaftsfreundlich oder konservativ wirken - Fakt ist: für die FAZ arbeite(te)n exzellente Journalisten, hervorragende Gastbeiträge bringen interessante Positionen.
Nur mit den Zahlen ging es letztes Wochenende drunter und drüber. In der FAZ (Nr. 262, Samstag 8.11.08, S. 16) schreibt Claus Tigges - “Amerika steckt tief im Schuldenkeller” - über die USA und leitet ein mit einem “Zitat” von Ronald Reagan:
“Ronald Reagan sagte einmal, er könne sich kaum vorstellen, wie viel eine Billion Dollar sei: ´Das Beste, was mir dazu einfällt, ist dies: Wenn man einen 10 Zentimeter hohen Stapel aus 1000-Dollar-Scheinen hat, dann ist man Millionär. Bei einer Billion Dollar wäre dieser Stapel 107 Kilometer hoch.´ Das war 1981. Vor einigen Wochen…”
Das Zitat von Reagan habe ich nicht gefunden, egal, 1000 Blatt 80 Gramm-Kopierpapier sind ca. tatsächliche 10 Zentimeter hoch, soweit prima - ABER unerklärlich ist die erstaunliche 7-Kilometer-Rendite. Hier der Faktencheck:
Eine Billion ist eine Million Millionen oder eine Million zum Quadrat oder in Zahlen 1.000.000 x 1.000.000 = 1.000.000.000.000. Wenn - wie im Zitat, das Claus Tigges verwendet - 1 Million = 10 cm, dann sind:
1 Billion = 1 Million x 10 cm = 10.000.000 cm oder 100.000 Meter oder 100 Kilometer - aber sicherlich nicht 107 Kilometer! Denn, wo kommen die 7 zusätzlichen Kilometer her? Multiplikation alleine macht noch keine Rendite von 7%. Das hätte Claus Tigges oder der FAZ-Qualitätsredaktion auffallen müssen.
Soviel nun doch nicht
Dann: Am Sonntag in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS, Nr. 45, 9.11.08, S 60) schreibt Anna von Münchhausen über Susanne Klatten “Der Fall der Muster-Erbin”. Und beginnt den Artikel mit “7,5 Milliarden Euro für den Gigolo: Die scheue Milliardärin Susanne Klatten wurde erpresst…” Hoppla, das ist über-üppig.
Susanne Klatten ist wirklich sehr reich; ihr Vermögen wird auf 7,8 Milliarden geschätzt, so Frau von Münchhausen. Und der Erpresser war kriminell - sowieso - und auch unverschämt, aber es ging wohl um 7,5 Millionen und nicht um Milliarden - der Faktor 1000 ist ein echter Flop.
Lieber Qualitätsjournalismus, bitte ruiniere Dich nicht, bitte entlasse keine Mitarbeiter für Dokumentation, für Korrektur, für Recherche, bitte halte das Faktenniveau, das Du mal hattest!